Berichte der "Historischen Fahrräder"

Letzte Aktualisierung 01.02.2015

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Die historische Langdistanz von Wien nach Berlin

Text und Bilder: Stepp Klasen

Quelle: www.bergetappe.de - Bergetappe - Der Fahrradladen e.K., Essen

August 2015

Im August 2015 findet die Fernfahrt der Historischen Fahrräder des RV Opel 1888 von Wien nach Berlin statt. Stepp Klasen wird mit einem Dutzend Mitstreitern das historische Abenteuer Wien-Berlin starten. Natürlich auf historischen Opel Fahrrädern.

RV Opel 1888 Fernfahrt Wien-Berlin 2015

Wie war das Anno 1893?

Die Lorbeeren der Distanzreiter und Distanzgänger ließen die Radfahrer nicht ruhen, auch ihrerseits einmal die 582,5 Kilometer betragende Strecke Wien - Berlin in gegenseitigem Wettbewerb zu durchmessen. Der "Deutsche Radfahrerbund", die "Allgemeine Union" und der "Sächsische Radfahrerbund" vereinten sich und schrieben eine Distanz-Radfahrt Wien-Berlin aus. Eine Reihe von Fahrrad- und Reifenherstellern – darunter Adam Opel, Continental und Michelin – hatten Sachpreise für die Distanzfahrt gestiftet. Zudem nahmen zwei Söhne von Opel an dem Korso in Wien teil.

Der Start in Floridsdorf bei Wien

Am 29. Juni 1893, früh morgens zwischen halb 5 und 7 Uhr, nahm die Distanzfahrt an der Station Floridsdorf bei Wien ihren Anfang. Von 150 angemeldeten Teilnehmern aus Deutschland und Österreich-Ungarn waren 117 am Start erschienen und setzten sich in der angegebenen Zeit in Gruppen von je 10 Fahrern mit einem Abstande von 5 Minuten in Bewegung.

Als "Favorit" für Deutschland stand an erster Stelle August Lehr aus Frankfurt a. M. Dieser stürzte aber schon sehr bald mit seiner Maschine, wobei diese zertrümmerte, und er in Jungbunzlau die Distanzfahrt aufgeben musste.

Unter den österreichischen Teilnehmern gab es keinen ausgesprochenen "Favoriten".

Der Start 1893 in Floridsdorf bei Wien

Der Start 1893 in Floridsdorf bei Wien

Ganz Wien interessierte sich lebhaft für die Sache der Radfahrer, und Tausende waren in der Frühe des 29. Juni zum Start in Floridsdorf hinausgeeilt, um der Abfahrt zuzuschauen.

Verpflegung und Kontrolle

Das Komitee hatte auf der ganzen Fahrstrecke Vorsorge getroffen für die Anmeldung, Verpflegung und Sicherheit der Teilnehmer. An den Kontrollstationen musste sich jeder durchpassierende Fahrer einschreiben, worauf ihm selbst in sein Fahrtenbuch der entsprechende Vermerk eingetragen wurde. Außer für die Verpflegung der Fahrer war auch überall für Bäder, Massage und ärztlichen Beistand gesorgt. Ebenso waren Mechaniker für eine etwa erforderliche Reparatur der Räder vorhanden.

Ein Kontrollpunkt auf der Strecke

Ein Kontrollpunkt auf der Strecke

Besonders schwer hatten die Teilnehmer durch den häufig sehr schlechten Zustand der Straßen zu leiden, die in Österreich vielfach nur mit zerschlagenen Steinen beschüttet und nicht chaussiert waren, mehr noch durch gewaltige Gewitter, die sie während der Fahrt durch Böhmen trafen. Manchem der Wettfahrer wurde durch Sturm und Regen ein vorzeitiges Ziel gesteckt. Einzelne verfehlten auch bei Nacht und Unwetter, trotz der überall angebrachten Zeichen, den richtigen Weg. Trotzdem meldete aber schon am Vormittage des 30. Juni der Telegraph die staunenswerten Fortschritte einzelner Fahrer. Zahlreiche Freunde und Kollegen der Betreffenden machten sich auf und eilten ihnen als "Schrittmacher" entgegen, um sie zum Ziel zu führen.

Gewitter in der Nacht macht den Fahrern zu schaffen

Gewitter in der Nacht macht den Fahrern zu schaffen

Mit

Mit "Schrittmachern" dem Ziel entgegen

Am Steuerhäuschen auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin, das als Ziel bestimmt war, hatte man eine Ehrenpforte errichtet, die mit den Fahnen Deutschlands und Östereich-Ungarns, sowie mit zahlreichen Wimpeln und Laubgewinden geschmückt war und den Radfahrern ein "Willkommen in Berlin" und "All Heil" entgegenrief.

Der erste Ankömmling wurde von der dort harrenden Menschenmasse begeistert empfangen. Es war Josef Fischer aus München, ein kräftiger Mann von 32 Jahren, der am 30. Juni, mittags um 1 Uhr und 10 Minuten eintraf und die ganze Strecke in 31 Stunden 1 Minute 22 2/5 Sekunden zurückgelegt hatte.

Eine Dreiviertel Stunde später kam Georg Sorge aus Köln, als Dritter folgte Franz Gerber aus Graz.

Der Sieger: Josef Fischer

Die zuerst anlangenden 30 Fahrer wurden prämiiert, wobei Fischer als erster Sieger einen prächtigen silbernen Humpen erhielt und natürlich ließen es sich auch die Vereine nicht nehmen, den Siegern einen festlichen Empfang zu bereiten.

Der Sieger von Wien Berlin 1893: Josef Fischer aus München auf einem Opel Fahrrad

Die Leistung Fischer's kommt erst dadurch in ein richtiges Licht, wenn man bedenkt, dass bei dem Distanzritt Wien-Berlin der Sieger Graf Starhemberg 71 Stunden 40 Minuten gebraucht hat. Ein Schnellzug durcheilt dieselbe Strecke in 14 Stunden 10 Minuten, ein Personenzug in 18 bis 19 Stunden.

Die zehn ersten Plätze belegten:

  • Josef Fischer, München (mit einem OPEL Fahrrad)
  • Georg Sorge, Köln
  • Franz Gerger, Graz
  • Christian Andersen, Kiel
  • Max Reheis, Wasserburg
  • Paul Mündner, Berlin
  • Oscar Jander, Dresden
  • Hans Traugott Hirsch, Magdeburg
  • Franz Drorak, Smichow

Im Bericht verwendete Bilder: Die Schutzdauer der von den obigen Dateien gezeigten Werke ist vermutlich nach den Maßstäben des deutschen Urheberrechts abgelaufen (über 100 Jahre alt). Sie sind daher vermutlich gemeinfrei.

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